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VIRTUELLE ERÖFFNUNGSAUSSTELLUNG: VAGINA 2.0

Die erste Ausstellung des VAGINAMUSEUM.at thematisiert die Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Begriffen und subjektiven Bedeutungen der weiblichen Geschlechtsorgane. Einen allgemein verwendeten Begriff für das körperliche weibliche Geschlecht in seiner Gesamtheit scheint es nicht zu geben. Oftmals werden nur einzelne Körperteile, die Vagina oder die Vulva, genannt. Diesen generalisierenden Bezeichnungen entspricht der Name des virtuellen Museums und auch der Titel der virtuellen Eröffnungsausstellung VAGINA 2.0.

Der Körperteil, die Vagina, kann als Synonym für die körperliche Geschlechtlichkeit der Frau betrachtet werden und kommt in allen Mythen, Religionen und zivilen Gesellschaften in symbolischen Formen vor. Die Darstellungsweisen der weiblichen Geschlechtsorgane sind Indikatoren für das weibliche Rollenbild in gesellschaftlichen Systemen und lassen Rückschlüsse auf die Position der Frau in den unterschiedlichen Lebenswelten zu.
Wirklichkeitskonstruktionen im Zusammenhang mit religiösen und politischen Systemen, sozialen Feldern, sozialpsychologischen Gruppierungen, Formen von Partner_innenbeziehungen, Individualität und damit Identität sowie menschlichen Lebensformen werden dabei kritisch reflektiert. Diese Reflexionen über den Umgang mit dem Begriff Vagina geschehen über Vorstellungen, Erwartungen, Zuschreibungen, Assoziationen und emotionale Stimmungen mit den Mitteln der Kunst.

Die Form des Open Call wurde gewählt, um möglichst vielfältige künstlerische und persönliche Positionen aus verschiedenen Blickwinkeln und Bereichen kennenzulernen. Künstlerinnen und Künstler wurden aufgerufen, (net)adäquate Beiträge unterschiedlicher Disziplinen der Kunst einzureichen.
Aus den Einreichungen konnte aus budgetären Gründen leider nur eine begrenzte Anzahl an Projekten ausgewählt werden. Diese entsprechen inhaltlich, künstlerisch und methodisch den Ausschreibungskriterien des Open Call. Die Vielzahl der Einreichungen ist auch mit einer erweiternden Vielfalt verbunden und hat uns angeregt weitere, das Thema anders reflektierende, Projekte/Konzepte vorzustellen und in das Ausstellungskonzept zu integrieren.

Die Visualisierung zeigt im Überblick die vielfältigen künstlerischen Beiträge und die sie kennzeichnenden jeweiligen Stichworte. Diese sind den Konzepten der präsentierten Künstler_innen entnommen und den entsprechenden inhaltlichen Bereichen der Ausstellung VAGINA 2.0 zugeordnet. Das sich verändernde formale Erscheinungsbild wechselt zwischen visuellen und textbasierten Ansichten sowie deren Vernetzungen.
(Grafik: Kerstin Rajnar_frau mag rosa pink)

Beiträge für die virtuelle Ausstellung VAGINA 2.0

Die Beiträge spannen einen thematischen Bogen früher Darstellungen von Vulva-Symbolen unterschiedlicher Kulturen und Zeiten bis hin zum Leben und Arbeiten in sozialen medialen Online-Plattformen und Sex-positivem Feminismus im Cyberspace (siehe Grafik):

SYMBOLS – GODDESS – NATURE – PSYCHOLOGY – BODY NORMS – MASS PRODUCTS – PORNOGRAPHY – CYBERSPACE – SEX AND GENDER – CENSORSHIP – TRANSGENDER – SEX-POSITIVE FEMINISM

Myriam Thyes (DE) verbindet in ihrer Animation „GLOBAL VULVA" weibliche Figuren und Vulva-Symbole aus unterschiedlichen Zeiten, Kulturen und Ländern, indem sie sich ineinander verwandeln. Die kulturelle Bedeutung des weiblichen Genitales wird wieder sichtbar. Es erscheinen steinzeitliche Ritz-Zeichnungen, Göttinnen, Zeichnungen von Vulven und ihrer Symbole, sowie die 'Venus vom Hohlen Fels'.
Mattia Biagi (US) widmet sein Bronze-Amulett „V charm" mit der Darstellung einer stilisierten Vulva Benzaiten, der Göttin der Liebe und Kunst. In der japanischen Tradition verspricht das Tragen des Amuletts Glück und Reichtum.
Iwona Demko (PL) verweist in ihrer Installation „Chapel of the Vagina" auf die Fruchtbarkeit und Geburt und zielt mit ihrer Arbeit darauf ab, matriachalische Ideen wiederherzustellen und die Vagina vom profanen in den heiligen Bereich zurückzuholen.
Petra Mattheis (DE) geht es um weibliches Blut, um das Aufbegehren gegen Stereotype, Scham und Stigmata zur Menstruation. „BAM - Become a Menstruator!" will mit verschiedenen Materialien (T-Shirts, Buttons, Aufkleber, Plakate..) eine neue, positive Normalität zur Menstruation formulieren.
Grit Scholz (DE) fotografierte Yonis* und kombinierte diese Bilder mit Bildern aus der Natur, um die Einzigartigkeit in Formen und Farben zu unterstreichen. Die Natur kennt keine Norm! Die Zunahme der vaginalen Schönheitsoperationen sowie die Genitalverstümmelung gaben den Ausschlag, das Buch „Das Tor ins Leben" als aufklärendes Anschauungsmaterial für Frauen zu realisieren. (*Yoni aus dem Sanskrit = Vulva)
Rosa Roedelius (AT) setzt sich in ihren Objekten „Beet" mit den primären Ausformungen der weiblichen Geschlechtlichkeit spielerisch interpretierend auseinander. Fruchtig vaginale Hybride erscheinen schwankend zwischen verschlingend bedrohlich und dezent keusch.
Dorothée Zombronner (DE) hinterfragt mit ihren zunächst abstrakt erscheinenden Aquarellen „Von Vulvi und Korpi" tradierte Vorstellungen von Ästhetik, Schönheit und Geschlecht. Einem Rorschachtest ähnlich, erinnern die Arbeiten mitunter an das weibliche Geschlecht, entziehen sich aber einer sicheren Zuordnung.
Barbara Klampfl und Gisela Reimer (AT) stellen den Mythos der Venus in Kontrast zur Wirklichkeit. Die Fotomontage „VENUS" ist eine poetische Auseinandersetzung mit ihrem Körper, der Weiblichkeit, der Präsentation und dem Sich-Befassen.
Ulla Sladek (AT) widersetzt sich mit ihren Fotografien den uns aufgezwungenen Körpernormen. Die Arbeit „verzerrt" soll Gegenstück zu den hyperrealistischen Täuschungen digital manipulierter Körper der Werbefotografie sein.
Angela Proyer (AT/CH) entwarf die pinke Vendingmaschine „Muschi2Go". Anonym zieht man sich eine bereits angefeuchtete Muschi diskret aus dem Automaten. Die Frau, reduziert auf ihr Geschlechtsteil, wird zum Massenprodukt. In der partizipativen Online-Animation werden Kund_innen beim Erwerb der gewählten Muschi zusätzlich mit einem Zitat einer bekannten Feministin bereichert.
Faith Holland (US) installierte die voll funktionstüchtige 'pornographische' Webseite „VVVVVV", die sich mit dem pornographischen Gebrauch von Frauenkörpern in der Geschichte des World Wide Webs beschäftigt. Das Projekt entwirft neue theoretische Möglichkeiten für Technologie sowie das soziale und biologische Geschlecht.
Melinda Rackham (AU) erforscht und hinterfragt frühe Auffassungen von durchlässiger Identität und Sexualität im Netz. „tunnel" ist die digitale Vagina. Darin entfaltet sich das 'cyburbane' Melodrama von sexuellen Beziehungen online - die Cyber Affaire und die darauffolgende Spannung zwischen cyber-sexueller und echt-Fleisch-sexueller Erfahrung. Es zeichnet die Unvereinbarkeit und Unverträglichkeit auf, wenn das digital kodierte Selbst die Endgrenze überschreitet.
Christina Strasser (AT) stellt in ihrer partizipativen Online-Animation 'ganz normale' Menschen dar, die schamlos ihren Intimbereich zeigen. Viele junge Menschen, vor allem Mädchen, sind sehr unsicher, wie sie mit ihrem Geschlecht umgehen sollen. „2nd Sexual Revolution" ist ein Aufruf zu einem weniger verklemmten Umgang mit der (eigenen) Sexualität und für die Anerkennung der natürlichen Vielfalt.
Soso Phist (AT) wählt für ihren Blog „Anti Pussy Ban" verschiedene Darstellungen und Beiträge aus Found Footage Material und arbeitet mit der Plattform Tumblr, da dort der wichtige Faktor der Zensur beim Thema Vagina umgangen wird. Den Rezipient_innen steht eine große Auswahl an Beiträgen zur Verfügung, welche ihnen eine Auseinandersetzung mit persönlichen Zugängen und Kontexten ermöglicht.
Kollektiv AMAE (GB) versucht, sowohl Einzelpersonen als auch eine Gruppe von Menschen zu unterstützen. „I Will Jump First" ist die Darstellung einer bedeutenden Entscheidung: Gaia entscheidet sich für eine operative Geschlechtsumwandlung. Amae unterzog sich der Tätowierung, um zu zeigen, dass eine derartige Entscheidung ohne Trauma möglich ist. Die Aktion war im therapeutischen Sinn geplant, als abgestimmte Aktion. Nicht reden, handeln!
Kollektiv Freudenweide & Villefort (AT) zeigt in ihrem Kurzfilm „Meine Vagina Liebt Mich" acht Vulven voller Selbstbewusstsein: Nachdenklich, poetisch, wütend, humorvoll. Eines verbindet sie: Sie setzen sich aufgeregt, mutig und lachend vor die Kamera und verkünden ihre Botschaften.
Teresa Ascencao (CA) gestaltet über eine soziale mediale Plattform das stetig wachsende Online-Projekt „Autoerotic Meditations", bestehend aus Ton- und Bildbeiträgen von weiblichen Mitgestalterinnen. Die Euphoric Femme Reihe ist von einem Sex-positiven Feminismus und heiliger Sexualität inspiriert und bestrebt, die weibliche Sexualität zu politisieren, das Zelebrieren der weiblichen Erotik zu erleichtern und die Kunst mit Wohlbefinden zu verbinden.

Ausstellungskonzeption, Kuration: Doris Jauk-Hinz