Männer wie Frauen, Kinder wie Erwachsene, werden tagtäglich Opfer von unterschiedlichen Formen der Gewalt. Dennoch zeigen sich bei genauer Betrachtung der Gewalthandlungen geschlechtsspezifische Unterschiede – so sind etwa Frauen deutlich öfter als Männer von sexueller Gewalt betroffen. [1]
Formen der Gewalt
Gewalt gegen Frauen kommt in allen Gesellschaftsgruppen und Gesellschaftsschichten vor. Jene kann auf körperlicher, sexueller, psychischer, ökonomischer oder sozialer Ebene stattfinden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen personaler Gewalt (wird direkt durch einen/eine Täter_in ausgeübt) und struktureller Gewalt (äußert sich in ungleichen Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten). [2]
Das Wiener Programm für Frauengesundheit hat folgende Gewaltformen definiert: [6]
Körperliche Gewalt: Ohrfeigen, Wegstoßen, Schlagen mit Gegenständen, Verprügeln, Würgen, Waffengewalt.
Sexuelle Gewalt: Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, unterschiedliche Formen von sexueller Nötigung, Anwendung von körperlichem Zwang oder Drohungen.
Sexuelle Belästigung: sexistische und geschlechtsbezogene entwürdigende/beschämende Bemerkungen und Handlungen, unerwünschte körperliche Annäherung, Annäherungen in Verbindung mit Versprechen von Belohnungen und/oder Androhung von Zwangsmaßnahmen, sexuelle Aggressionen, körperliche Gewaltanwendung.
Psychische Gewalt: Schädigung und Verletzung durch Vorenthalten von Zuwendung und Vertrauen, seelisches Quälen, emotionales Erpressen, Erniedrigung, Kontaktverweigerung, Erzeugen von Unsicherheit/Angst, Verlust der Selbstbestimmtheit.
Zudem zählen noch die Bereiche des Frauenhandel und der Zwangsprostitution, Gewalthandlungen in Kriegen und Konfliktsituationen und die Genitalbeschneidung [BESCHNEIDUNG] zum Thema „Gewalt gegen Frauen". [2]
Statistik
Die FRA (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte) hat 2014 eine EU-weite Erhebung zum Thema Gewalt gegen Frauen publiziert, an der 42.000 Frauen aus 28 Mitgliedstaaten teilnahmen. Untersucht wurden die Dimensionen körperliche, sexuelle und psychische Gewalt, die Frauen wurden zudem zu ihren Erfahrungen mit Stalking sowie sexuellem Missbrauch durch neue Medien befragt: [1]
- 33 % der Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Dies entspricht etwa 62 Millionen Frauen.
- 22 % der Frauen haben körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlebt.
- Eine von 20 Frauen (5 %) ist seit ihrem 15. Lebensjahr vergewaltigt worden. Fast jede zehnte Frau, die sexuelle Gewalt außerhalb der Partnerschaft erfahren hat, gab an, dass mehrere Täter_innen an dem schwerwiegendsten Vorfall beteiligt waren.
- 43 % der Frauen waren entweder durch den/die aktuelle/n oder eine/n frühere/n Partner_in psychischer Gewalt ausgesetzt. Der Missbrauch bestand unter anderem darin, dass Frauen öffentlich bloßgestellt wurden oder das Haus nicht verlassen durften oder eingesperrt wurden, dass sie gegen ihren Willen pornografische Filme ansehen mussten und ihnen Gewalt angedroht wurde.
- 33 % der Frauen haben in der Kindheit körperliche oder sexuelle Gewalt durch eine/n Erwachsenen. 12 % der Frauen waren in der Kindheit von sexueller Gewalt betroffen, die in der Hälfte der Fälle von fremden Männern ausgeübt wurde. Bei diesen Formen des Missbrauchs handelt es sich typischerweise um Fälle, in denen Erwachsene ihre Genitalien zeigen oder die Genitalien oder Brüste des Kindes berühren.
- 18 % der Frauen haben seit dem 15. Lebensjahr Stalking erlebt; bei 5 % der Frauen war dies innerhalb der letzten 12 Monate vor der Befragung der Fall. Dies bedeutet, dass etwa 9 Millionen Frauen in der EU von Stalking betroffen sind. 21 % der Stalking-Opfer gaben an, dass die Belästigung länger als zwei Jahre andauerte.
- 11 % der Frauen haben bereits unangemessene Annäherungsversuche in den neuen sozialen Medien erlebt oder erhielten E-Mails oder SMS-Nachrichten mit eindeutig sexuellem Inhalt. Unter den jungen Frauen (18–29 Jahre) waren es 20 % die bereits Opfer von solchen Formen der Online-Belästigung wurden.
- 55 % der Frauen haben irgendeine Form der sexuellen Belästigung erlebt. 32 % der Opfer sexueller Belästigung nannten als Täter_innen Vorgesetzte, Kollegen und Kolleginnen oder Kunden und Kundinnen.
- 67 % meldeten die schwerwiegendsten Gewaltvorfälle innerhalb einer Partnerschaft nicht der Polizei oder einer anderen Organisation.
Erklärungsversuch
„Gewalt gegen Frauen ist Ausdruck der historisch ungleichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen, die dazu geführt haben, dass die Frau vom Mann dominiert und diskriminiert wird, und daran gehindert wird, sich voll zu entfalten."
(Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, Vereinte Nationen, 1993) [7]
Warum werden Frauen so viel häufiger Opfer von Gewalt als Männer? Liegt es daran, dass Männer im Durchschnitt kräftiger und größer sind als Frauen? Kann und will man aus einer körperlichen Überlegenheit eine Veranlagung für tätliche und sexuelle Gewalt ableiten? Spielen evolutionäre oder körperliche Ursachen (z.B. ein erhöhter Testosteronspiegel des männlichen Körpers) eine Rolle? [WEIBLICHE PHYSIOLOGIE] [3] [4]
Jene körperlichen wie evolutionären Faktoren kann man nur schwer abschätzen. Ein Blick ins Tierreich zeigt, dass Körpergröße durchaus ein Faktor dafür sein kann, wer die Macht hat und wer Gewalt ausübt. Aber liefert das wirkliche eine Erklärung für zwischenmenschliche Interaktionen im 21. Jahrhundert? [3] [4] [5]
Die Deklaration der Vereinigten Nationen (1993) spricht von historischen bedingten, unbalancierten Machtverhältnissen als Grundlage der systemischen Gewalt gegen Frauen. Hiernach würde es sich weniger um eine personale Form der Gewalt handeln, die auf Differenzen zwischen Individuen zurückzuführen ist, sondern vielmehr um Gewalt auf struktureller oder kultureller Ebene. Gesellschaftspolitische Beschlüsse, Normen und Traditionen benachteiligen Frauen und verhindern die Entfaltung ihres vollen Potentials. [3] [4]
Lösungsvorschlag
Eine mögliche Lösung des Problems findet man nicht in der Verschiebung des Machtmonopols zu einem anderem Geschlecht oder einer anderen Altersstufe – sondern in einem gleichberechtigtem Umgang, die Alternativen zu Gewalt findet und ein friedliches Zusammenleben ermöglicht.
Ein anderer Ansatz besteht in der Aufklärung, welche zum Ziel hat, Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Durch weltweite öffentliche Kampagnen, kostenfreie Fortbildungen, Workshops und Seminare kann einerseits die Entstehung neuer Gewalt verhindert und andererseits geschädigte Opfer wieder ermächtigt werden, selbst Kontrolle über ihr Leben und ihren Körper zu erlangen. Hilfestellung anhand von Frauenhäusern, Notrufnummern, kostenfreier Psychotherapien sollten staatlich subventioniert und ausgebaut werden. Diese Maßnahmen werden die Ursachen und Ausübungen von Gewalt gegen Frauen nicht von heute auf morgen beenden, können aber doch eine unersetzliche Hilfestellung darstellen, und einen Weg in die Normalität, fern von Gewalt, ermöglichen. [3] [4]
Weiterführende Links:
INTERNATIONALER TAG GEGEN GEWALT AN FRAUEN (ein am 25. November jährlich abgehaltener Gedenk- und Aktionstag)
UN WOMEN, Nationale Komitees Weltweit (Webseite)
Gewalt gegen Frauen ist Alltag, Heymann Brandt de Degelmini (Kampagne)